Alles ist möglich

Wie feiern Sie das Fest in diesem Jahr? Mit wem und wo?

Vieles ist 2020 nicht möglich und die Enttäuschung ist groß:
Feiern im großen Familienkreis, Festgottesdienste in der Kirche, Singen im Chor, das Krippenspiel mit den Kindern oder Enkeln, das festliche Essen im Restaurant, das Verreisen in den Schnee…
Alles abgesagt. Wie bitter!

Die Pandemie zwingt uns, Weihnachten in diesem Jahr anders zu feiern,
bescheidener, auf Abstand, vielleicht sogar allein.

Manche sind richtig verärgert: Wie könnt ihr nur die Gottesdienste absagen! Und das an Weihnachten.
Andere reagieren stiller, sie sind traurig, haben Angst.
Wieder andere nehmen die Dinge pragmatisch:
Da müssen wir durch. Es kommen wieder bessere Zeiten.

Wie immer wir gestrickt sind: Mit der Weihnachtsenttäuschung müssen wir alle klar kommen. Uns umstellen, Neues probieren.
Dabei sind die Erwartungen gerade bei diesem Fest so hoch.
Und wir reagieren besonders sensibel auf Veränderungen.

Doch Corona zum Trotz wird es Weihnachten auch in diesem Jahr.
Das Krippenkind kommt auch 2020 zur Welt, unabhängig von unserer Befindlichkeit. Die alte Weihnachtsgeschichte hat Bestand. Sie ist krisenfest. Obwohl sie, oder gerade weil sie, auch eine Enttäuschung birgt:

Der Retter der Welt, von dem die Engel singen – ist nur ein Kind. Nicht mehr. Kein starker Held, der ein Machtwort spricht und dem Treiben der Despoten unserer Tage ein Ende macht. Kein weiser Moderator, der Feinde an den Verhandlungstisch bringt. Kein charismatischer Politiker, der Frieden und Gerechtigkeit für alle nachhaltig auf die Tagesordnung der Welt setzt.

All das ist der Retter der Welt nicht.
Sondern ein Kind, ein Neugeborenes, schwach und schutzbedürftig.
Was für eine Enttäuschung für alle, die anderes erwarten!
Die auf Stärke setzen, auf Macht und Durchsetzungskraft.

Die Weihnachtsgeschichte entlarvt diese Erwartung als Täuschung.
So kommt Gott nicht in die Welt. Nicht mit Pauken und Trompeten.
Er kommt klein, am Rand des großen Treibens, in der Stille, im Geheimnis der Nacht. Und so berührt er Menschen:

8Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. 12Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. 13Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.15Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. 16Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. (Lukas 2, 8-16)

Die Hirten – sie sind Menschen am Rand,
vermutlich oft enttäuscht von denen, die das Sagen haben.
Was sie wohl erwarten? Ich weiß es nicht.
Ob sie Angst haben vor der Zukunft? Um ihre Kinder? Ihr Auskommen?
Vermutlich genau soviel, genauso wenig wie jeder von uns.

Offensichtlich aber ist, sie trauen den Worten des Engels:
Siehe, ich verkündige euch große Freude,
denn euch ist heute der Heiland geboren, der Retter.

Davon lassen sie sich berühren und bewegen,
sie machen sich auf den Weg, um es mit eigenen Augen zu sehen,
– eilend, heißt es, also ohne zu zögern und zu diskutieren –
und sie finden: ein Kind, in Windeln gewickelt, im Arm seiner Eltern.

Was immer sie bis hierher erwartet haben, legen sie zur Seite.
Es ist nicht wichtig.
Wichtig ist dieser Moment, in dem sie erkennen, was Gott ihnen schenkt:
das Wunder eines Anfangs, neues Leben wie nur ein Kind es sein kann.
Zart und so unendlich kostbar.
In diesem Kind liegt Gottes Verheißung: Alles ist möglich.
Freude zieht in ihr Herz.

Ich wünsche Ihnen und mir an den Weihnachtstagen die Freude der Hirten
jenseits aller Enttäuschung. Eine Freude, die aus dem Kleinen, Kostbaren erwächst:

Wenn wir die großen Erwartungen für dieses Jahr beiseite legen
und schauen, was dennoch geschieht.
Gott kommt in die Welt. In deine und meine. Und macht alles möglich.

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest!

Pfarrerin Hanna Mausehund