Die Erde ist des Herrn

3. Sonntag nach Trinitatis – Hanna Mausehund

Können Sie sich noch an die 80er Jahre erinnern? –

Es war die Zeit der Dauerwellen und breiten Schulterpolster.
Die ersten Privatsender machen Fernsehen.
Die Grünen ziehen in den Bundestag ein.
Tausende gehen auf die Straße und demonstrieren für den Frieden und gegen Atomkraft. Und im Haushalt beginnen wir, den Müll zu trennen.

Mitten in dieser Zeit ist 1985 Ev. Kirchentag in Düsseldorf. Er steht unter dem Leitwort:
Die Erde ist des Herrn. Zu diesem Leitwort entstand damals ein Lied, das heute in unserem Gesangbuch steht (Nr. 677):

1. Die Erde ist des Herrn. Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben.
Drum sei zum Dienst bereit, gestundet ist die Zeit, die uns gegeben.
2. Gebrauche deine Kraft. Denn wer was Neues schafft, der lässt uns hoffen.
Vertraue auf den Geist, der in die Zukunft weist. Gott hält sie offen.

Die Erde ist des Herrn! Das ist ein Bekenntnis.
Die Erde gehört Gott! … und nicht dem Menschen.
Mit allem, was auf ihr lebt, ist sie unverfügbar. Wir kontrollieren und besitzen sie nicht. Wir sind ein Teil von ihr. In den letzten Monaten haben wir davon etwas zu spüren bekommen. Ein kleines Virus bringt alles aus dem Lot. Wir sind Gäste auf Zeit. Die Erde ist des Herrn.

So steht es schon in der Bibel, in Psalm 24:
1 Die Erde ist des HERRN und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen.
2 Denn er hat ihn über den Meeren gegründet und über den Wassern bereitet.

Weil Gott die Erde geschaffen hat, ist sie sein. Aus dem Nichts, aus dem Tohuwabohu hat Gott das Leben gerufen. Licht, Wasser und Land, Sonne, Mond und Sterne, Pflanzen und Tiere in ihrer unglaublichen Vielfalt und Pracht – und schließlich den Menschen, sein Ebenbild. So erzählt es die Schöpfungsgeschichte und sie setzt an das Ende den Satz:
Und siehe, es war sehr gut.

Das Lebensgefühl der 80er war von Sorge bestimmt: Das Wettrüsten der Supermächte nahm gigantische Ausmaße an, die menschengemachte Zerstörung der Erde, der sog. „Supergau“, schien möglich. Neue Krankheiten wie Aids machten Angst.
Nichts war mehr „sehr gut“.

Aus der Sorge wuchs die Einsicht: So kann es nicht weitergehen. Wir müssen etwas ändern. Der Ökumenische Rat der Kirchen rief 1983 zum konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Vielerorts schafften es Parteien in die Parlamente, die sich vor allem friedens- und umweltpolitisch engagieren. Ein neues Denken hielt Einzug.

Heute, über 30 Jahre später, brauchen wir dieses neue Denken immer noch genauso.
Die Sorge für Gottes Schöpfung und Geschöpfe gehört in den Mittelpunkt. Denn wir scheinen kaum einen Schritt weiter zu sein. Immer noch ist es nötig, dass Menschen auf die Straße gehen und demonstrieren: für den nachhaltigen Umgang mit der Natur, gegen Rassismus, für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit überall auf der Welt.

3. Geh auf den andern zu. Zum Ich gehört ein Du, um wir zu sagen.
Leg deine Rüstung ab. Weil Gott uns Frieden gab, kannst du ihn wagen.
4. Verlier nicht die Geduld. Inmitten aller Schuld ist Gott am Werke.
Denn der in Jesus Christ ein Mensch geworden ist, bleibt unsre Stärke.

Diese Worte sind zeitlos. Sie ermutigen zum Glauben und Handeln auch heute:
Vertraue auf Gott und tue das Nötige. – In 6 kurzen Sätzen wird das Lied konkret:

Sei zum Dienst bereit.
Lass nicht nur andere machen, sondern werde selbst aktiv. Nimm die Dinge deines Lebens in die Hand. Und setze dich für deine Mitmenschen ein.

Gebrauche deine Kraft.
Du hast Kraft, du hast Talente, vielleicht nicht so wie andere, und vielleicht anders,
als du es dir wünschst; aber du hast Stärken, die du einbringen kannst.

Geh auf den anderen zu.
Such dir Verbündete, Unterstützerinnen, Gleichgesinnte. Zum Ich gehört ein Du.
Du bist nicht allein. Mach die Augen auf. Andere stehen dir zur Seite.

Leg deine Rüstung ab.
Zeig dich, wie du bist, wo es möglich ist. Lass auch mal Schwäche zu und schau barmherzig auf die Schwäche anderer. So fängt Frieden an.
Sei dir deiner Unvollkommenheit bewusst. Du machst Fehler und bleibst anderen etwas schuldig. Bitte um Vergebung und sei selber zur Vergebung bereit.

Verlier nicht die Geduld.
Dinge und Menschen brauchen Zeit. Und Rückschläge gehören dazu. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, heißt es. Veränderungen wachsen langsam.

Und schließlich: Vertraue auf den Geist.
Gottes schöpferische Kraft. Die die Dinge durcheinander wirbelt und Neues möglich macht. Vom Geist Gottes erfüllte Menschen wachsen oft über sich hinaus. Sie wagen etwas, weil sie sich getragen und beflügelt wissen. Jesus war ein vom Geist Gottes erfüllter Mensch. Er tat, wovon das Lied singt: Er ließ sich in Dienst nehmen für die Menschen, er ging auf sie zu, kam ihnen unkonventionell nah. Manche brachte er gegen sich auf; viele aber heilte er an Leib und Seele und öffnete ihnen eine Tür in die Zukunft. Er fand seine Stärke in Gott.

Das gefällt mir so gut an diesem Kirchentagslied: Es bekennt sich zum dreieinigen Gott,
zu Schöpfer, Sohn und Heiligem Geist. Es macht Mut zum Hoffen und Dranbleiben.
Weil Gott unsere Stärke ist.

Ich nehme mir vor, die sechs kurzen Sätze aufzuschreiben und an meine Haustür zu hängen. Und wenn ich dann losgehe in den Tag, will ich einen Moment verweilen und sie in Gedanken mitnehmen.

Sei zum Dienst bereit. Gebrauche deine Kraft. Geh auf den anderen zu.
Leg deine Rüstung ab. Verlier nicht die Geduld. Vertraue auf den Geist.
Amen.