Der heutige Sonntag ist mit „Lätare“ – freut euch! überschrieben.
Ein Freudenmoment. Mittendrin. In dieser Passionszeit.
Ein Fest. Ein kleines. Immerhin.
Nicht in der prachtvollen Friedenskirche. Mit 11 Metern Höhe Raum über einem.
Bei mir sind es gerade mal 1,30 Meter bis zur Decke.
Ein Fest zwischen Küche und Flur.
Ziemlich passend für diesen Anlass heute, meinen Abschied aus der Gemeinde, finde ich.
Schließlich ist dieser Sonntag für mich ein Moment zwischen Abschied und Neuanfang.
Ein Sonntag zwischen violett und weiß.
Violett ist die Farbe der Passionszeit.
Ein tiefes violett. Eine Mischung aus Blau und Rot.
Zeit der Umkehr. Eine Zeit, in der das Blau des Himmels das Rot der Erde durchringt.
Gott und ich. Wir beide begegnen uns.
Violett. Himmel trifft Erde. Gottes Welt begegnet unserer Welt.
Vielleicht ist violett daher so eine Farbe, die ich nur mit Kirchen verbinde.
Mit Gemeindezentrum, den Antependien in der Kirche – das sind diese Teppiche, die vor dem Altar hängen oder an der Kanzel, lila Kerzen am Adventskranz.
Auch im Gemeindezentrum sind sie Stühle lila.
Und gerade bin ich nicht sicher, ob es nicht auch lila Vorhänge gibt.
Ich war einfach schon zu lange nicht mehr dort. Leider.
Ich muss sagen. Lila ist jetzt nicht so meine Farbe. Kommt mir ziemlich unmodern vor.
Doch der heutige Tag ist nicht geprägt vom manchmal schwer anmutendem Violett.
Hoffnungsweiß mischt sich darunter.
Die Farbe des Heutiges sonntags ist rosa.
Ein rosaner Tag zwischen Tod und Leben. Zwischen Passion und Ostern.
Zwischen Abschied und Neuanfang.
Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.
Jesus spricht vom Fallenlassen. Loslassen. Aus den Händen geben.
Beim Säen ist das ein ganz natürlicher Vorgang. Anders geht’s nicht.
Sommerweizen wird ab Mitte März gesät. Also gerade jetzt. Dann, wenn der Boden warm genug ist.
Der oder die Landwirtin streut die Körner aufs Feld. Heute geht das natürlich maschinell.
Wenn man die Weizenkörner nicht ausstreut, sondern fest in der Hand behält,
kann man sich sicher sein, dass man eine kleine Menge Mehl daraus malen kann.
Es kommt auf die Größe des Feldes an, vielleicht reichen die Körner, um Brot für einen Monat zu backen.
Das wäre eine Variante ohne Risiko.
Die Möglichkeit auf eine neue Ernte, eine vielfache Menge an Körner bleibt dabei aber aus.
Jeder Unternehmensberater würde dem Landwirt also dazu raten, in die Zukunft zu investieren und die Körner auszusäen.
Das Weizenkorn muss in die Erde fallen und sterben.
Schwer zu glauben, dass etwas sterben muss, damit Neues entstehen kann.
Schwer zu glauben für die Jünger Jesu. Für Phillipus und Andreas.
Es soll weiter gehen, dieser Hype um Jesus, denken sie sich.
Die Rolle als seine persönlichen Begleitwächter gefällt ihnen.
Sie entscheiden, wer Jesus sehen kann und wer nicht.
Doch Jesus, der redet vom Sterben und Begraben. Von der Stunde, die gekommen ist.
Seinem bevorstehenden Tod, der unausweichlich ist.
Schwer zu glauben, dass etwas sterben muss, damit Neues entstehen kann.
Doch manchmal kommt die Stunde, an der es gut ist, etwas fallen zu lassen.
Das kann eine Beziehung sein, die mir auf lange Sicht nicht guttut. Eine Freundschaft, die eigentlich keine Freundschaft mehr ist. Jedes Gespräch zieht mich runter. Jede Begegnung macht jemand aus mir, der ich nicht sein möchte. Dieses Weizenkorn muss in die Erde fallen. Nur so kann Neues entstehen, neue Freundschaften, eine neue Perspektive, ein neuer Lebensabschnitt.
Auch in der Kirche kann es hin und wieder heilsam sein, dass Dinge sterben.
Sich das einzugestehen ist nicht immer einfach. Und es braucht vielleicht auch Zeit, festzustellen, wann und ob die Stunde für etwas gekommen ist oder nicht.
Ich finde es da wichtig zu unterscheiden. Dinge fallen zu lassen, bedeutet nicht grundsätzlich, dass alles stirbt. Ich bin weit entfernt von einem solchem pessimistischen Bild für die Kirche. Meiner Meinung nach kann der Vers dazu ermutigen, Dinge fallen zu lassen, die fallen gelassen werden müssen. Denn manchmal muss man sterben lassen, um Zeit und Ressourcen für etwas Neues zu haben. Das braucht Mut und Geduld.
Ich denke an das Weizenkorn, das da in der dunklen Erde liegt und nicht von sich selbst weiß, ob es verloren ist oder gesät ist.
Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.
Später werden die Jünger sich an Jesu Worte erinnern.
Als er gestorben ist und sie ihn nicht einmal in Erde legen können, sondern bloß auf einem Stein in seinem Grab und schnell weglaufen von diesem dunklen Ort. Bis eine Frau, die selbst mitten im freien Fall war, doch noch zurückkehrt ist.
Und Jesus stand da im Garten, lebendig, auferstanden. Ist selbst in diesem Grab und Stein aufgegangen wie ein grüner Halm.
Es musste sein. Es hat Frucht gebracht. Sie hat ihn für den Gärtner gehalten. Zu Recht. Denn seit damals tut er nichts anderes als seine Hoffnung zu sähen, seine weiße Hoffnung, die sich ins Violett mischt.
Ein Freudenmoment. Diese Botschaft. Mittendrin in dieser Passionszeit.
Ein Fest. Ein kleines. Immerhin.
Wir können damit rechnen, dass Gott nach Abschied, Sterben und Tod Neues schafft.
Und dass das Zweite erst nach dem Ersten kommen kann. Ohne freien Fall keine Erfahrung: Ich bin getragen. Ich bin nicht verloren in der dunklen Erde. Ich bin gesät.
Die Farbe des Heutiges sonntags ist rosa.
Ein rosaner Tag zwischen Tod und Leben. Zwischen Passion und Ostern.
Zwischen Abschied und Neuanfang.