Loslassen und vertrauen

Wenn ich für eine Sache brenne –
wieviel bin ich bereit dafür zu tun, wohlmöglich aufzugeben?

Im Lukas-Evangelium wird erzählt, wie einer zu Jesus sagt:
»Ich will dir folgen, wohin du auch gehst!« 58Jesus antwortete: »Die Füchse haben ihren Bau und die Vögel ihr Nest. Aber der Menschensohn hat keinen Ort, an dem er sich ausruhen kann.«
59Einen anderen forderte Jesus auf: »Folge mir!« Aber der sagte: »Herr, erlaube mir, zuerst noch einmal nach Hause zu gehen und meinen Vater zu begraben.« 60Aber Jesus antwortete: »Überlass es den Toten, ihre Toten zu begraben. Du aber geh los und verkünde das Reich Gottes!«
61Wieder ein anderer sagte zu Jesus: »Ich will dir folgen, Herr! Doch erlaube mir, zuerst von meiner Familie Abschied zu nehmen.« 62Aber Jesus antwortete: »Wer die Hand an den Pflug legt und zurück schaut, der eignet sich nicht für das Reich Gottes.«

Wieviel bin ich bereit einzusetzen, wohlmöglich aufzugeben,
um Jesus nachzufolgen? Ich merke: Was Jesus hier fordert,
kann ich nicht. Das will ich auch nicht.
Das Zuhause und alle Sicherheiten verlassen, mich von der Familie trennen; mir nicht die Zeit nehmen dürfen für tröstliche Rituale wie das Beerdigen der Toten –
das ist schon sehr radikal. Wer kann das? Wer will das?

Die Jünger, ja die sind aus allem ausgestiegen. Petrus z.B.
Er verlässt seine Eltern, Frau und Schwiegermutter, gibt seinen Beruf auf, geht fort aus seinem Heimatdorf, trennt sich von seinem Alltag wie er ihn bis dahin kannte. Und geht mit Jesus mit. Einfach so. Er folgt ihm auf seiner Wanderung, sieht, wie Jesus Menschen begegnet, sie berührt, heilt. Er hört seine Worte, seine Fragen, seine Geschichten, erlebt sein Gottvertrauen. Und lernt für sich – jeden Tag ein wenig mehr. Ähnlich die anderen Jünger, Andreas, Levi und wie sie alle heißen. Sie machen ernst mit Jesu Einladung und brechen mit ihrem bisherigen Leben. Bewundernswert ist das und gleichzeitig sehr fremd.

Es gibt auch andere. Und das beruhigt mich ein wenig.
Die Schwestern Maria und Martha.
Sie sind nicht mit Jesus unterwegs.
Sie unterstützen ihn von zu Hause aus.
Sie bieten ihm ihre Gastfreundschaft an; Essen, ein Dach überm Kopf, ein Stück Familie.
Auch das ist Nachfolge. Und Jesus nimmt es gerne an.

Jesus nachfolgen. Ein Follower sein.
Was heißt das heute und hier? Für mich? Für andere?

Folgen deutet einen Weg an. Ich bin unterwegs, gehe jemandem hinterher; orientiere mich an ihm. Glauben, Vertrauen, Gott suchen – das ist ein Weg , mit Fortschritten und Rückschritten, mit Fragen, Zweifeln, mit Vergewisserung und berührenden Momenten.
Manchmal, so erlebe ich es, bin ich fest verwurzelt im Glauben, fühle mich getragen und spüre Gottes Kraft; es gibt aber auch Momente, da bin ich unsicher. Und frage mich: stimmt das alles? Oder ist es nur eine schöne Illusion?

Ich bin dieser Tage auf Nikolaus von Flüe gestoßen, den Nationalheiligen der Schweiz. Er lebte im 15. Jahrhundert. Er war verheiratet, hatte 10 Kinder; bewirtschaftete einen kleinen Hof in den Bergen. Bei Rechtsstreitigkeiten wurde er als Streitschlichter gefragt. Sein Leben lang war er ein Gottsucher und Jesusnachfolger, angetrieben von der Frage: wie kann ich Jesus nachfolgen? Die Frage wurde im Lauf der Jahre so stark, dass Nikolaus sein Leben änderte. Er verließ die Familie und zog in eine Klause. Das empfand er als seine Berufung.

20 Jahre bis zu seinem Tod lebte er total abgeschieden, er aß wenig, hatte nichts, betete, meditierte über Jesus und seinen Weg. Manche Leute fanden das unmöglich, andere fühlten sich angezogen; sie kamen und fragten um Rat in persönlichen und politischen Dingen. Bruder Klaus (wie er genannt wurde) strahlte in seiner radikalen Lebensart offenbar Autorität aus und Vertrauenswürdigkeit. Die Leute spürten, dass es ihm nicht um sich selbst ging, sondern um Gottes Gegenwart, um Jesu Barmherzigkeit in der Welt.

Von Bruder Klaus ist ein Gebet überliefert:

Mein Herr und mein Gott,
nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.
Mein Herr und mein Gott,
gib alles mir, was mich fördert zu dir.
Mein Herr und mein Gott,
nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.

Dieses Gebet deutet mir an, was Nachfolge auch heute sein kann: Hingabe und Vertrauen. Ich finde darin eine Orientierung auch für mich:

Lass mal los, deine Sorge, deine Angst; deine wachsende Ungeduld, weil zurzeit sowenig möglich ist. Lass mal los und entdecke die Chancen, die auch da sind.
Befreie dein Herz von dem, was dich belastet. Überlasse es Gott.
Bitte Gott, dir das zu geben, was du heute brauchst. Und nimm es als Geschenk an. Bete und tue die kleinen Taten der Liebe: ein Anruf, eine Mail oder ein Brief an jemandem, von dem du lange nichts gehört hast, ein klärendes Gespräch; Hilfe in der Nachbarschaft. Unterstützung für eine überlastete Familie.
Möglichkeiten gibt es immer.
Sei ganz da und gib Gott Raum. Vertraue darauf, dass er die Dinge in Segen verwandelt. Auch jetzt.

Jesus nachfolgen: es braucht nicht radikale Bruch zu sein.
Vielleicht ist es gar nicht mehr als dieses:
Loslassen und vertrauen: Gott ist ja da!
Und er segnet dich.

Hanna Mausehund