Mein Leuchtturm

Blauer Himmel, das Geschrei von Möwen in der Luft, Sand zwischen den Zehen, die schäumenden Gischt und das Tosen, wenn die Wellen aufbrechen. Der Geruch nach Salz, vielleicht auch etwas fischig nach Seetang. Die Nord- oder Ostsee. Sie gehen den Strand entlang, neben Ihnen türmen sich die Dünen auf. In der Ferne sehen Sie einen Leuchtturm. Rotweißgestreift so wie man ihn kennt. Um so näher Sie kommen, um so größer wird er. Von der ferne aus erst ganz klein, doch dann als Sie vor ihm stehen ragt er um die 40 Meter in den Himmel. Ein Leuchtturm und Urlaubsgefühle.

Vielleicht denken Sie bei einem Leuchtturm aber auch an die raue See. Einen gruseligen Leuchtturmwärter. Hohe Wellen und einen grauen Himmel. Mir fällt da ein Urlaub in meiner Kindheit ein. Wir saßen 2 Wochen der Sommerferien in einer Ferienwohnung auf Baltrum, einer Insel in der Nordsee, fest und es regnete ununterbrochen. Ich erinnere mich an endlose Bastelaktionen, um die Zeit herumzubekommen. Danach hatten wir alle erst einmal alle genug von der Nordsee. Wir sind damals natürlich doch rausgegangen. Das Meer wirkte so grau wie der wolkenverhangene Himmel. Der Wind peitsche einem ins Gesicht und die Wellen waren so hoch, dass kein Schwimmer im Meer zu sehen war. In der Ferne sah man ein Blinken am Horizont. Ein rotes Licht, das aufleuchtete und dann wieder verschwand. „Das ist der Leuchtturm“, meinte meine Mutter. Man konnte aber beim besten Willen keinen Turm erkennen, nur das aufblinkende Licht.

My lighthouse, my lighthouse
shining in the darkness. I will follow You
I will trust the promise
You will carry me safe to shore.

Mein Leuchtturm, mein Leuchtturm.
Du leuchtest in der Dunkelheit. Dir will ich folgen.
Ich will deinem Versprechen vertrauen,
dass du mich sicher zur Küste bringst.

Dieses Lied haben wir in dem Konfirmandenkurs, der heute konfirmiert wird rauf und runter gesungen. Mal mit Bewegungen und mal ohne. Es hat uns auf die Freizeit und an den Konfi-Samstagen begleitet.

My lighthouse, my lighthouse. Shining in the darkness. I will follow You… Für mich ist das Lied ein Gute-Laune-Lied, das gute Stimmung macht. So viel gute Laune es auch von der Melodie her versprüht, tatsächlich braucht man einen Leuchtturm nicht bei schönem Wetter, bei Sonnenschein und Fernsicht. Er ist für die Schiffe gerade bei schlechtem Wetter wichtig. Wenn der Wind die Wellen hochpeitscht. Im Nebel und natürlich bei Nacht. Immer dann, wenn es so ungemütlich draußen ist, dass sich die Menschen auf der Insel oder an der Küste in ihren Häusern verkriechen. Das Licht zeigt an, wo das Land beginnt und verhindert, dass die Schiffe auf eine Sandbank auflaufen. So was es jedenfalls früher. Heute gibt es natürliche Radare und GPS-Systeme. Damals war das Licht jedoch unendlich wichtig, besonders in stürmischen Zeiten.

In der ersten Strophe von dem Lied lighthouse heißt es übersetzt: „In meinen Kämpfen, Zweifeln und in meinem Versagen verlässt du mich nicht. Deine großartige Liebe führt mich da hindurch. Du bist der Friede in meinem aufgewühlten Meer.“
Mir gefällt das Lied, weil es so ehrlich ist. Weil es eben nicht nur die guten Zeiten anspricht, sondern auch die Zweifel und das Ringen.

Als wir das Lied letztes Jahr im Herbst auf der Konfirmanden Freizeit gesungen haben, konnten wir uns noch gar nicht vorstellen, was da für ein Sturm auf uns zu kommt. Corona, Covid 19, Aerosole, Lockdown. Diese Worte kannte damals noch keiner von uns. Heute fordern uns ganz neue Fragen heraus: „Wie wird es im Herbst mit der Pandemie weitergehen, wenn wieder mehr drinnen stattfinden wird? “ „Wann wird endlich einen Impfstoff geben?“

Aber auch unabhängig von Corona kommen zweifelnde Fragen immer mal wieder auf wie ein ungebetener Gast. Zweifel an einem selbst: „Kann ich das schaffen?“ „Bin ich gut genug?“ „Hätte ich gestern nicht besser anders reagiert?“ Wen sie einmal da sind, können sie einem die Stimmung ganz schön trüben.
Wie kann da das Licht des Leuchtturms helfen? Das Lied spricht von Gottes Liebe, die durch diese Zeiten trägt. Gottes Liebe, das ist ein großes Wort. Wenn ich mich selbst ganz infrage stelle, hilft es mir, wenn mich jemand aus diesen Gedanken herausholt und sagt: „Hey, du bist gut so, wie du bist.“ Und genau diesen Satz hat Gott zu jeden Einzelnen von uns gesagt. In der Taufe feiern wir dieses liebende „Ja“ Gottes zu uns. Seine Zusage, unser Gott zu sein, unser Leuchtturm im Sturm.

Ich werde jetzt nicht sagen: „Der Glaube an Gott löst alle deine Probleme in Luft auf“. Oder „Wer an Jesus glaubt, bei dem scheint nur noch die Sonne.“
Der Text des Liedes berührt mich auf eine tröstliche Art und Weise gerade, weil er diese Zeiten der Ungewissheit anspricht und nicht so tut, als gäbe es nur Sonnenschein. Gottes Wort ist eben keine Stadionbeleuchtung, die alle Schatten grell ausleuchtet. Aber er ist das Licht, dass uns durch die Stürme hindurch zum Ziel führt. Von dieser Erfahrung erzählt das Lied. Von dem tiefen Vertrauen, dass Gott auch in solchen stürmischen Zeiten bei uns ist. Jesus Christus hat gesagt: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. Sein Licht hilft mir bei Zweifeln an mir selbst, mich wieder klarer zu sehen. Aus einer anderen Perspektive. Als geliebtes Kind Gottes.

Wir vertrauen darauf, dass Gottes Wort uns wie ein Leuchtturm Orientierung geben kann. Allerdings nicht so, dass man automatisch eine Antwort auf jede Frage parat hat. Die Bibel gibt keine Antwort darauf, ob man Masken tragen soll, welchen Beruf ihr wählen sollt und wer gute Freunde sind. Aber sie kann Orientierung geben. Eine grobe Richtung. Aus der Art und Weise, wie Jesus Menschen begegnet ist, dass er z.B. mit denen zusammen gegessen hat, um die man sonst lieber einen großen Bogen macht, kann ich auch etwas für mein eigenes Verhalten mitnehmen.
Das Schöne ist, dass wir auf unserem Weg im Glauben nicht alleine gehen. Als Christen und Christinnen sind wir Teil einer großen Gemeinschaft. Wir gehen den Weg im Glauben gemeinsam als Suchende. Mir tut es immer gut zu merken, dass ich mit meinen Zweifeln, aber auch mit meinen Glaubenserfahrungen nicht alleine bin. Und auch wenn in Ihrem Leben vielleicht Zeiten kommen werden, wo Sie sich weit weg von Gottes leuchtendem Licht fühlen, auch wenn ich es vielleicht nur am Rande des Horizonts als kleines Leuchten wahrnehme, kann ich doch spüren: Gott ist da.

Mein Leuchtturm, Leuchtet in der Dunkelheit. Ich werde dir folgen.
Mein Leuchtturm, ich werde dem Versprechen vertrauen. Du wirst mich sicher ans Ufer bringen