Prüfet alles und behaltet das Gute

Mit Prüfungen ist es so eine Sache. Ganz gelassen nimmt sie wohl niemand. Die Einen motivieren sie zu besonderem Fleiß und konzentriertem Lernen, andere spüren lähmenden Druck bis hin zu Prüfungsangst. Wer am Ende bestanden hat, kennt das gute Gefühl von Erleichterung oder sogar Stolz, es geschafft zu haben. Durchzufallen oder gar nicht erst angetreten zu sein kratzt dagegen mächtig am Selbstwertgefühl.

Müssen Prüfungen überhaupt sein? Wahrscheinlich Ja. Denn wer möchte sich nicht darauf verlassen können, dass jemand sein Handwerk gelernt und das notwendige Wissen erworben hat, um seine Arbeit gut machen zu können – ob als Ärztin oder Dachdecker, Friseur oder Lehrerin.

Und prüfen wir in unserem Alltag nicht ständig auch selbst? Wählen aus und entscheiden, was wir gut finden oder gut gebrauchen können und was nicht?

Gut so! findet der Apostel Paulus. Er fordert die Gemeindemitglieder in Thessaloniki ausdrücklich auf: „Prüfet alles und behaltet das Gute“.

Zunächst: Prüfet alles! Mit anderen Worten: Habt keine Scheuklappen und keine Vor-Urteile. Paulus weiß anscheinend um unseren tiefverwurzelten Hang, uns von Unbekanntem erstmal verunsichern zu lassen. Was wir nicht kennen, könnte ja unangenehm oder sogar gefährlich sein. Da halten wir uns lieber auf Distanz – und vergeben uns so die Chance, das Gute daran zu entdecken.

Da hilft nur: Prüfet alles! Schaut Euch alles, was Euch begegnet, mit offenen Augen an. Alles – also auch und gerade das Fremde und Ungewohnte. Schaut genauer hin. Es könnte ja sein, dass gerade darin überraschend Gutes steckt. Vielleicht sogar Gewünschtes und lang Erträumtes.

Aber auch im Blick auf das Vertraute und Gewohnte: Prüfet alles! Ob in der Familie, am Arbeitsplatz oder in der Gemeinde: Manches, was lange gut war und gut getan hat, kann mit der Zeit unbrauchbar oder sogar zu einer Belastung geworden sein, zu groß, zu klein oder zu schwer. Auch deshalb denken wir in der Evangelischen Kirche zur Zeit über unsere gewohnten Strukturen nach und fragen: Was soll bleiben? Was muss sich verändern? Was ist womöglich verzichtbar?

„Prüfet alles und behaltet das Gute“. Das heißt: Schaut kritisch hin. Kritisch heißt wörtlich: unterscheidend.
Also: Unterscheidet das Nützliche und Notwendige vom Überflüssigen.

Und unterscheidet die Wahrheit von der Lüge. Mit Recht sind viele besorgt über das Ausmaß von Unwahrheiten, die vor allem in bestimmten Social Media Kanälen verbreitet und von vielen Usern bereitwillig geglaubt werden. Jeder und jede kann hier seine Überzeugungen posten, aber niemand ist vor Irrtümern sicher. Und natürlich werden die neuen Medien auch strategisch zur Meinungsmache und Manipulation eingesetzt. Wer den notwendigen Faktencheck abschafft, hat offenbar kein Interesse daran, Wahrheit und Lüge zu unterscheiden.

Paulus geht es vor allem um eins: Unterscheidet das Gute vom Bösen. Es muss ganz klar werden, was nicht gut ist und nicht guttut. Was Menschen schadet, was Vertrauen und damit das Zusammenleben oder sogar das Leben selbst zerstört. Nicht nur durch mutwillig böses Tun jetzt. Auch durch die unvermeidbaren Folgen, die unsere Entscheidungen und unser Tun und Lassen heute später haben werden. Das soll nicht vertuscht oder stillschweigend geduldet werden.

Auch Wahlen sind immer verbunden mit einem Prüfauftrag der Programme und Positionen. „Prüfet alles und behaltet das Gute“ – so haben wir hoffentlich alle am 23.2. nach bestem Wissen und Gewissen unsere Wahl getroffen. Und so sollen wir als Bürgerinnen und Bürger auch nach der Wahl aufmerksam bleiben und unsere Gesellschaft zum Guten mitgestalten.

Wir merken: Die Jahreslosung fordert heraus. Sie erlaubt kein blindes oder bequemes Weiter-so. Bleibt die Frage: Was ist das Gute? Wie erkennt man es? Und was führt zum Guten und stärkt es? Dazu gibt Paulus im selben 5. Kapitel des Thessalonicherbriefes noch ein paar wertvolle Hinweise:

Haltet Frieden untereinander. Weist die Nachlässigen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig mit jedermann. Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach, füreinander und für jedermann. Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch. Den Geist löscht nicht aus. Prophetische Rede verachtet nicht. Meidet das Böse in jeder Gestalt. (1. Thessalonicher 5,13b–20.22)