Der Herr segne dich

Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Mit diesen Worten beginnt jeder Gottesdienst. Gott ist einer und zugleich drei. Er ist nicht nur Gott für sich, sondern auf Beziehung aus. Das feiern wir an Trinitatis. In dieser Andacht am 07. Juni soll es darum gehen, wie sich uns Gott im Segen zu wendet.

Als ich noch ganz neu hier in der Gemeinde war, sprach mich Frau Schade von der Seniorenarbeit an und bat mich um einen Reisesegen für die Seniorengruppe. Ich fragte nach, wo die Reise denn hinginge und sie antworte nach Kaiserswerth. Ein wenig verdutzt, fragte ich weiter, wie lange die Reise denn dauern würde, und sie meinte, sie wären so gegen fünf wieder da.
Ich habe noch länger über diese Bitte nachgedacht. Bei einem Reisesegen – das gebe ich zu – hatte ich automatisch an eine längere Reise über mehrere Wochen oder wenigstens über mehrere Tage gedacht. Nie wäre ich auf die Idee gekommen einen Tagesausflug unter den Segen Gottes zu stellen. Und ich fing an zu grübeln: Warum eigentlich nicht? In welchen Momenten segnen wir und werden gesegnet?

Ich weiß nicht, welche Bilder Ihnen in den Kopf schießen, wenn sie an Segen denken. Einschulungen, Trauungen, Taufen oder Konfirmationen, in denen Familien, Paaren, Kindern oder Jugendlichen ganz individuell Gottes Segen zu gesprochen wird. Das sind die großen Events. Anlässen, die man gerne mit Freunden und der Familie feiert. Neuaufbrüche. Wendepunkte.

Ich denke weiter an den Gottesdienst. Ich höre vertrauten Segensworte:
Der HERR segne dich und behüte dich;
der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.

Der Herr segne dich und behüte dich;
Der Herr segnet. Dieses Wort ist bezeichnend im wahrsten Sinne des Wortes. Denn unser deutsches Wort „segnen“ stammt von dem lateinischen „signare“ und bedeutet nichts anderes als kennzeichnen. Wer gesegnet ist, der ist von Gott markiert. Dahinter steht die uralte Vorstellung, dass es Dinge gibt, die von dieser Markierung angezogen werden wie Motten vom Licht: Wohlstand, Gesundheit, Glück und Frieden.
Der Herr behüte dich
. Noch nie habe ich den Satz „Bleiben Sie behütet“ so oft gesagt oder gehört wie in dieser Corona-Zeit.
Es gibt Zeiten, da wirst du stärker als sonst merken, dass deine Gesundheit, deine Miete, dein Glück gefährdet sind, deine Kräfte nur begrenzt. Du kannst dich nicht selbst behüten und brauchst es doch so sehr. In diesen Zeiten hilft es zu hören: Du bist nicht allein. Der Herr ist mit dir unterwegs. Er ist da, wo du bist, und hat dich als sein Kind markiert.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Ich habe neulich eine Maske gesehen, auf der stand: „I smile warmly under this mask“, also „ich lächele warmherzig unter dieser Maske“. Oft kann ich das strahlende Gesicht auch ohne eine solche Aufschrift auf der Maske an den leuchtenden Augen erkennen.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir. Egal wie wir uns selbst ansehen, ob uns gefällt, was wir im Spiegel sehen oder nicht. Gott sieht uns an. Und er strahlt dabei. Sie kennen das aus dem Alltag – so ein Angestrahlt-Werden kann einen Menschen verwandeln, manchmal in Sekundenbruchteilen. Die Mundwinkel gehen plötzlich nach oben und tief drinnen löst sich was. Das strahlende Gesicht meines Gegenübers wärmt wie die Sonne. Gut zu beobachten ist das, wenn Babys und Kleinkinder strahlen. Das Kleinkind nimmt Blickkontakt auf und lächelt und der Mann, der in der Bahn eben noch ernst vor sich hingestarrt hat, muss automatisch auch lächeln.
Der Herr sei dir gnädig. Gottes wohlwollende Blick trifft genau dorthin, wo es in uns alles andere als strahlend ist. Dorthin wo, wo deine Sorgen dich quälen, das Gewissen nagt, Fragen dich nicht schlafen lassen, mitten dorthin strahlt seine Gnade.
Der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. Frieden. Bei dem Wort muss ich unweigerlich aufseufzen. Ach Frieden. Wie schön, dass der Segen genau damit endet. Gott schenke dir Frieden. Den inneren Frieden, der sich ausbreitet, wenn du dich von Gottes leuchtendem Angesicht angesehen weist, warm wie die Sonne. Und noch viel mehr den Frieden für die Welt. Dass endlich Friede werde. Gott leite deine Schritte auf dem Weg, der zum Frieden der Welt führt.

Und ich denke zurück an den Reisesegen von Frau Schade. Vor ein paar Tagen als ich ihr von der Predigt heute erzählte, meinte sie: Sie wissen gar nicht wie viel der Segen den Damen und Herren bedeutet. Damit ist der Tag schon gut.
Ihre Anfrage hat mich gelehrt, wann wir den Segen brauchen: Wo wir gehen, wo wir stehen. Der Segen Gottes ist immer mit dabei. Immer da, wo du bist. In den Höhen und Tiefen.

Gott bindet sich an diese Worte. Er ist es, der segnet. So heißt es: So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne. Gott selbst segnet. Daher gehört der Segen nicht nur in die Hände von Priestern und Pfarrerinnen. Jeder kann segnen und gesegnet werden. Wegen den Abstandsregeln übernehmen in vielen Gemeinden Eltern das Segnen ihrer Kinder bei der Taufe. Wenn Gott sich an diese Worte bindet, in ihnen mit uns ist, dann brauchen wir den Segen wann und wo immer wir sind. Manche kennen das vielleicht noch von früher: Eltern segnen ihre Kinder, wenn sie morgens zur Schule gehen. Ein Segen vor einem Ausflug oder abends vor dem Schlafen. Beim Verteilen des Essens auf den Tellern, oder im Innehalten kurz davor. Vielleicht probieren sie es mal aus und sprechen einem Familienmitglied, einer Freundin, ihren Kindern einen Segen zu. Gott Segen.

Segensgebet
Der Herr segne und berühre dich.
Er behüte dich unter seinen Engelsflügeln
und halte den Himmel stets für deine Heimkehr offen.
Seine Worte mögen in deine Seele einfallen
wie Wassertropfen die Erde begießen.
Unser Gott taufe deine Tage und Nächte mit unendlicher Güte,
er bette deine Sorgen auf Rosen.
Nach durchwachten Tränennächten
lasse er deine Schwermut zu neuer Hoffnung erblühen.

Ich wünsche ihnen einen gesegneten Tag,

Ihre Charlotte Behr, Vikarin in Steele
(Mit Passagen von Holger Pyka)