7 ≤ 4000

Eine Predigt mit Markus 8,1-9

 

Wieder einmal war Jesus von vielen Menschen umringt.

wieder einmal hören wir in dieser Erzählung viele hungrige Mägen knurren

wieder einmal wundern wir uns, wie Tausende satt wurden

wieder einmal scheint Jesus ein zauberhaftes Wunder zu bewirken.

Drei Tage sind die Leute schon dort und haben nichts mehr zu essen.

Und zum krönenden Abschluss der ganzen Vorstellung

wird nun das Publikum beteiligt.

Der Zaubertrick heißt Fischbrötchen für alle

und bildet das große Finale seiner fantastischen Show.

Und da kommen auch schon seine Assistenten auf die Bühne.


Wie viele Brote habt ihr? fragt er sie,

und sie antworten, so dass alle es hören können: Sieben.

Eine symbolischen Zahl natürlich!

Später tauchen noch ein paar kleine Fische auf.

Die Jünger verteilten sie an die Menschen.

Alle hatten zu essen und alle wurden satt; es waren ungefähr 4000 Menschen.

Die Jünger füllten sogar noch sieben Körbe mit dem, was übrigblieb.

Dann schickte Jesus die Menschen nach Hause.

Das war’s, standing ovations, glückliche Fans applaudieren, Konfettiregen,

der Meister verbeugt sich mit seiner Crew am Bühnenrand und tritt ab.

Die Leute gehen zufrieden nach Hause.

 

Manchmal wird bei solchen Geschichten das Faszinierende,

das Geheimnisvolle sehr betont

und dann wirkt es wie Magie, wie ein Zaubertrick.

Jesus kann das machen, dass alle satt werden.

Nichts ist für Gottes Sohn unmöglich.

 

Ja, nichts ist unmöglich und doch: uns geht etwas verloren,

wenn wir bloß das übernatürliche Wunder bestaunen wollen, glaube ich.

Denn in einer solchen Deutung sind schon die hungrigen Menschen in der Geschichte NUR PUBLIKUM

und wir Hörerinnen heute erst recht.

Mit mir und meinem Leben hat das rein gar nichts zu tun.

Gut, ich kann dann all meine Hoffnung darauf setzen,

dass ich auch mal so ein Wunder erleben darf.

Ich kann dafür beten, darauf warten, dass etwas passiert.

Aber ich werde immer nach einem Ausschau halten,

der heldenhaft auf die Bühne meines Lebens tritt

und mit einem Streich das Problem löst.

Wer die Bibel so liest, wird dazu neigen,

sich selbst eher nicht als Teil der Lösung zu sehen.

Und dann gibt es diejenigen, die eine vernünftige Erklärung suchen.

Die jedes Wunder menschlich erklären und die Lösung nur bei sich selbst suchen.

Sie wollen sozusagen, das Geheimnis hinter dem Trick lüften.

 

Und dann klingt die Geschichte so:

Wieder einmal war Jesus von vielen Menschen umringt.

Drei Tage sind die Leute schon dort und haben nichts mehr zu essen.

Aber dann reicht es doch noch für alle.

Denn sie teilen, was sie haben.

Hier ein paar Brote, da einige Fische.

Sie müssen einfach nur teilen und alle werden satt.

Mit dieser Form das «Wunder» zu erklären war ich auch nie so ganz glücklich.

Ich meine, der Appell «brich mit dem Hungrigen dein Brot»,

der ist ja richtig, aber so einfach ist das eben nicht.

Wenn wenigstens ein ausreichender Teil der Menschheit in der Lage wäre,

diesem Appell Folge zu leisten, hätten wir den Hunger in der Welt doch längst überwunden.

Stattdessen werden an manchen Orten viel zu viele Lebensmittel produziert

und in die Geschäfte gebracht und schließlich in den Müll geworfen,

während an anderen Orten noch nicht einmal genug zum Überleben da ist.

Bei dieser Erklärung stehen die Menschen ganz im Mittelpunkt

und Jesus tritt an den Rand.

Dann geht es ganz um uns, aber es wird auch wieder unrealistisch,

wenn man so tut, als ginge es einfach nur ums Teilen.

 

Also entweder auf den großen Zauberkünstler hoffen

oder auf viele kleine Wundertäter, die einfach selbst die Welt retten?

 

Sie ahnen es vermutlich schon, ich suche noch einen Mittelweg.

Ich meine, in beiden Deutungen fällt man auf einer Seite vom Pferd.

Auf der einen Seite liegt scheinbar alles an Gott.

Auf der anderen Seite liegt alles an den handelnden Personen.

Was wäre denn die dritte Möglichkeit?

Wie können wir die Balance halten und beide Seiten zusammenbringen?

 

Vielleicht ja so:

Wieder einmal war Jesus von vielen Menschen umringt.

Als sie hungrig wurden, rief Jesus seine Jünger zu sich und sagte:

Diese Menschen tun mir leid.

Seit drei Tagen sind sie hier bei mir und haben nichts mehr zu essen.

Ich kann sie jetzt nicht hungrig nach Hause schicken.

Sie könnten unterwegs zusammenbrechen,

denn sie sind zum Teil von weither gekommen.

Die Jünger gaben zu bedenken: Wo soll man hier in dieser unbewohnten Gegend

Brot bekommen, um so viele satt zu machen?

Wie viele Brote habt ihr, fragte Jesus, und sie sagten: Sieben!

Da forderte er die Leute auf, sich auf die Erde zu setzen.

Denn er ahnte, dass Gott durch sie alle ein Wunder tun wollte.

Er hatte es schon in anderen Situationen erlebt

und wusste, dass es manchmal Menschen braucht,

die trotz ihrer Angst und Unsicherheit nichts zurückhalten.

Seine Jünger hatten ja auch zuerst Bedenken geäußert

und dann erst die 7 Brote hervorgeholt.

Wenn von den Tausenden um sie herum

nur wenigstens ein Teil noch was Essbares dabei hatte,

dann könnte es genug für alle sein.

Sie hatten vermutlich zu große Angst, ihre letzten Reste auszupacken.

Denn sie hatten längst mitbekommen,

dass bei vielen anderen nichts mehr übrig war am dritten Tag.

Jeder weiß, wozu hungrige und verzweifelte Menschen in der Lage sind.

Also wollten sie vielleicht lieber warten bis er sie nach Hause schickte

und wenn sie dann außer Sichtweite der anderen wären,

würden sie sich einen Platz zum Picknicken suchen.

Sicher ist sicher.

So nach dem Motto: ich habe mir meinen Proviant gut eingeteilt

und werde jetzt doch nicht die letzte Portion mit denen teilen,

deren Taschen leer sind. Pech gehabt, würde ich sagen.

Jeder erntet, was er sät.

Und diese Haltung verwandelt sich wie durch ein Wunder.

Sieben Brote und ein paar Fische verwandeln sich in eine ausreichende Mahlzeit,

weil die innere Einstellung sich bei einigen Anwesenden wandelt.

Als sie sehen, was Jesus tut, wie er für das wenige Vorhandene dankt

und die Brote in Stücke bricht, da durchbricht diese Erfahrung ihre Ängste.

Natürlich kann sich niemand sicher sein, ob es reichen wird.

Natürlich könnten einige die Freigiebigkeit auch ausnutzen.

Aber es ist wie eine Art Kettenreaktion und zwischen diesen Menschen

geschieht ein Wunder, eine Verwandlung im Zwischenmenschlichen.

 

Aus Konkurrenten um das letzte bisschen Nahrung,

die sich gegenseitig belauern, werden Menschen,

die ihre Verbundenheit spüren und erleben, welche Kraft darin wirksam ist.

Wozu Menschen in der Lage sind, wenn sie zusammenhalten!

Das ist wahrlich wundervoll.

Es ist genug. Alle hatten zu essen und wurden satt.

Es war, als ob Gott inmitten dieser Menschenmenge wäre.

So kann man in dieser Erzählung eine Art Gotteserfahrung erahnen,

in der Göttliches und Menschliches verbunden sind.

Alle wurden satt.

 

Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

Den Vers geben wir heute (Name) als Taufspruch mit auf den Weg.

Der HERR ist mein Hirte …

Er bereitet vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.

Er schenket mir voll ein.

 

Er schenkt uns voll ein.

Beschenkt sind wir mit guten Gaben.

Unser Leben und was wir haben, ist uns anvertraut.

In dieser Perspektive kann Gott auch durch uns Wunder tun:

solche, über die wir staunen und an denen wir zugleich beteiligt sind.

Amen.