Warum Advent?

Eine Predigt zum 1. Advent mit Matthäus 21,1-11 und Sacharja 9,9-10


In großen grünen Buchstaben steht diese Frage auf den Postkarten, die wir verteilt haben.

... noch etwas größer - grün auf pink - prangt sie auf dem Banner, das hinter der Kirche am Gemeindezentrum hängt. 




Schon zu anderen Festtagen in diesem Jahr hingen die Plakate 

in unserem Schaukasten draußen an der Straße. 

Warum? 

In auffälligen Farben steht da diese einfache Frage.

Warum macht ihr das? 

Was feiert ihr da eigentlich?

Was bedeutet die Adventszeit in eurer Kirche, in eurer Glaubensgemeinschaft?


Ich gehe nicht unbedingt davon aus, dass diese Frage wirklich oft gestellt wird.

Also von außen an uns gestellt wird, insofern setzt die Kampagne Fragen voraus, die nur eine Minderheit in unserer Gesellschaft wirklich beschäftigen. 

Aber es muss ja auch nicht sein, dass das jetzt ganz viele wissen wollen.

Die Frage kann doch einfach für mich persönlich oder meine Familie wichtig sein.

Warum Advent?

Was machst du da eigentlich? 


Die Frage, was wir machen, wenn die Adventszeit beginnt, 

ist wahrscheinlich für viele von uns noch relativ leicht zu beantworten.

Denn es gibt viele Traditionen, die wir gerne pflegen. 

So Sachen, die einfach jedes Jahr dazu gehören. 

Auch wenn dieses Jahr manches anders ist, geht so einiges doch auch 2020.

Ich habe von adventlichen Gestecken und Kränzen gehört, sogar schon einen ganz großen gesehen, als wir am Freitagabend zur Lichterandacht in der Laurentiuskirche waren.

Ich habe von Familien gehört, die wie jedes Jahr heute unterwegs sind, um ihren Weihnachtsbaum zu holen, selbst geschlagen.

Ich sehe Sterne in den Fenstern und leuchtende Dekorationen.

Für die eine ist es der Lebkuchen, für andere der erste Glühwein, die Vanillekipferl oder eine andere ganz bestimmte Plätzchensorte, die da sein muss, 

wenn die Adventszeit beginnt. Die man machen muss oder kaufen oder die einem geschenkt werden muss unbedingt jedes Jahr.

Ich freue mich immer besonders über die Spekulatius nach einem Rezept, das mein Opa überliefert hat und noch immer geformt mit dem Spekulatiusbrett, 

das er vor Jahrzehnten – ich weiß gar nicht wann – gekauft hat.

Er war gelernter Bäcker und wurde später Pfarrer. Tradition, Sie wissen schon.


Ein Kollege hat bei unserer Kreissynode Anfang des Monats in seiner Andacht dafür plädiert, dass wir die Adventszeit in diesem Jahr einfach früher 

beginnen, weil wir es jetzt noch nötiger haben, dass uns Freude angekündigt wird, dass wir uns innerlich und äußerlich vorbereiten auf Weihnachten.

Ich habe die Dose mit den Spekulatius trotzdem noch nicht angerührt, aber ich glaube, er hatte Recht. Es wird Zeit.

Es wird höchste Zeit für gute Nachrichten.



(Sacharja 9,9-10) 

Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze!

Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer,

arm und reitet auf einem Esel, auf dem Füllen der Eselin.

Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem,

und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden.

Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein 

von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.

Frieden bis an die Enden der Erde.

In Äthiopien, in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten, Frieden in Syrien, im Iran und Afghanistan, 

Frieden in Russland und Frieden in den USA, Frieden in Frankreich und Frieden auch in Deutschland ... 



Die Welt sehnt sich nach Frieden.

Und Gerechtigkeit. Schon immer. 

Frieden und Gerechtigkeit.

Gott hat angekündigt, sich darum zu kümmern. Durch Jesus.

Er ist der erhoffte Friedensbringer. (Kartentext www.kirchefeiert.de)


Er kommt nach Jerusalem, zieht auf eine Art und Weise in die Stadt ein, die Menschen jubeln lässt. 

Im Nachhinein fällt ihnen ein, wie der Prophet Sacharja den kommenden König angekündigt hatte.

Das Eselsohr als Erkennungszeichen, einige erkennen den Friedensbringer in ihm. 

Jede Zeit braucht Boten des Friedens. Friedensbringer und Friedensbringerinnen.

Aber warum reden wir im Advent immer wieder so, als käme einer zu uns, der doch schon vor sooo langer Zeit zur Welt gekommen ist? 

Also ich glaube, auf der einen Seite hängen Advent (und Weihnachten) völlig an Jesus Christus. 

Advent ist Vorweihnachtszeit und an Weihnachten feiern wir, dass Jesus Christus geboren ist und Gott Mensch wurde. 

Aber auf der anderen Seite können wir die tiefere Bedeutung nur wirklich erahnen, wenn wir uns eben nicht nur auf diese eine Person, Jesus, 

und das Ereignis seiner Ankunft konzentrieren. 

Selbst, wenn wir uns bemühen, alles mitzudenken, was auf seine Geburt folgte, ist das noch nicht genug.

Wenn es nur um Jesus allein ginge, 

dann müsste man doch fragen, was hat das mit uns heute zu tun?

Was an diesem historischen Ereignis führt dazu, dass es heute noch eine Bedeutung hat – also warum Advent?

Mir hilft es gerade, das in einem großen Zusammenhang zu sehen. 

Es kann doch nicht das erste Mal gewesen sein und schon gar nicht das letzte Mal, dass Gott Mensch wurde.

Wenn ich von Gott, als Schöpfer des Lebens rede, dann kommt er doch schon immer zur Welt und für immer. 

Dann muss er doch untrennbar verbunden mit seiner Schöpfung und in allem, was lebt. 

Er spricht, es werde Licht.

Er haucht dem Menschen von seinem Geist, von seinem Lebensatem ein.

Am Anfang des Johannesevangeliums versucht einer dieses Geheimnis in Worte zu fassen:

das Wort Gottes, durch das alles geschaffen ist, wurde Mensch, 

es kommt in Jesus Christus zur Welt; in ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen.


«Gott liebt Dinge, indem er sie wird.

... indem er eins wird mit ihnen.» (aus: Alles trägt den einen Namen, R. Rohr)

Ich habe das neulich in einem Buch gelesen, das für mich so eine Art lesbarer Adventskalender sein wird in den nächsten Wochen, 

weil ich dieser Spur folgen will. 

Der Satz klingt noch nicht ganz rund, aber es ist eben auch schwer in Worte zu fassen. 

Schließlich geht es ja auch nicht um Dinge, sondern um Lebewesen. 

Gott kommt zur Welt. Weil er sie liebt, wird er eins mit ihr.

Mit der ganzen Welt, seiner Schöpfung.

Gott wird eins mit seinen Menschen.


Warum Advent?

Für mich deshalb, weil Gott schon immer und für immer zur Welt kommt.

Da wird es für mich auch immer klarer, warum religiöse Menschen von einer göttlichen Energie, von Lebenskraft und Geist sprechen. 

Gerade das mit der Energie war mir früher eher suspekt. Aber wie sonst soll ich es ausdrücken. Wir sind verbunden. 

Alles, was lebt, ist verbunden in Christus. 


Advent ist also eigentlich immer. 

In unseren Liedern heißt es: «es kommt der Herr der Herrlichkeit» und «wie soll ich dich empfangen» oder «o komm, o komm, du Morgenstern», 

aber er ist doch immer schon im Kommen und wir haben ihn schon empfangen. Und es ist nie vorbei damit. 

Gott kommt.

Wir empfangen das Heil. Frieden. Freude. Gerechtigkeit. Trost. Barmherzigkeit. Kraft. Segen. Licht. Liebe. Hoffnung. Glauben.


Wir halten Ausschau danach und im Ausschau halten kommt es auf die Perspektive an.

Ein Kollege hat es vor Kurzem mal so ausgedrückt:

«Früher hätte ich gesagt, es gibt Momente, da begegnet mir Gott.

Aber wie soll mir jemand begegnen, der/die immer da ist?

Um mich herum, in mir wohnend?

Heute würde ich sagen, es gibt Momente da bin ich wach.» (Jörg Urbschat auf instagram @theos_art_insta)


Die Adventszeit kann Jahr für Jahr eine Erinnerung daran sein.

Eine feste Zeit im Jahr, die unsere Aufmerksamkeit wieder auf das lenkt, 

was andauernd um uns herum und in uns geschieht.

Freut euch, der Herr ist nah.

Gott sagt uns wieder: ich bin da.


Amen.